Blockaden überwunden dank dritter Parlamentskammer

NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, 22. FEBRUAR 2050 – Seit 10 Jahren bringt VolontAI générale in Bern unsere Interessen direkt in umstrittene Gesetzgebungsprozesse ein. Die Bilanz fällt positiv aus: VolontAI générale hat dazu beigetragen, die Klimablockaden der 2030 zu durchbrechen, den New Swiss Green Deal zu zimmern und hat über die Klimapolitik hinaus geholfen, die Reform- und Zukunftsfähigkeit des Landes zu stärken.

Seit 2045 ist VolontAI générale aus unserer Demokratie nicht mehr wegzudenken. Einmal pro Jahr loggen wir uns bei VolontAI ein und beantworten eine Stunde lang dessen Fragen zur Lage der Schweiz sowie zu unseren Wünschen für die Zukunft. VolontAI errechnet anschliessend die Wahrscheinlichkeit, wie wir uns zu bestimmten Gesetzesvorlagen äussern würden.
Hat VolontAI unsere Präferenzen gesammelt, analysiert und aggregiert, bringt es unsere kollektiven Präferenzen direkt in die Bundesversammlung nach Bern ein. Im Gesetzgebungsprozess fungiert VolontAI als Zünglein an der Waage und kommt immer dann ins Spiel, wenn sich unsere Parlamentarier:innen nicht einigen können.
Kommen National- und Ständerat im Differenzbereinigungsverfahren nicht zu einer Einigung, und würden eine Vorlage bachab schicken, tritt VolontéAI auf die Bühne. Dann errechnet es, welche der beiden Vorlagen das Stimmvolk eher den Vorzug geben würde und gibt entsprechend den Stichentscheid. Als dritte Parlamentskammer bringt VolontAI somit umstrittene Reformvorhaben voran und setzt einen Anreiz, dass Stände- und Nationalrat von sich aus zu einer Einigung kommen.
Zudem haben alle National- und StänderätInnen stets die Möglichkeit, VolontAI zu den Vorstellungen der Bevölkerung zu befragen, um Stimmungen und Präferenzen der Bevölkerung schon frühzeitig im Gesetzesprozess zu berücksichtigen, was in der Bevölkerung wiederum die weit verbreitete Skepsis gegen das Parlament verringert und die Anzahl an fakultativen Referenden gegen neue Gesetze reduziert hat.
Dr. Seraph Kumovac, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Zürich, lobt den Einfluss des Einsatzes von VolontAI auf die Reformfähigkeit der Schweiz: «VolontAI hat nicht nur geholfen, die Klimapolitik zu deblockieren, sondern auch andere umstrittene Reformen in der Altersvorsorge, Finanzmarktregulierung und der Regulierung von KI mehrheitsfähig zu machen.»

Aus der Not geboren

Dass VolontAI générale nun integraler Bestandteil der Schweizer Demokratie geworden ist, ist alles andere als selbstverständlich. Und wie so oft ist die wichtige Neuerung aus der Not geboren.
Wir erinnern uns: Mitte der 2030er-Jahre befand sich die Schweiz in der grossen Klimablockade. Die Sommer wurden heisser, die Ernten magerer. Der Permafrost schmolz, die Berge bröckelten. Und hunderttausende Menschen flohen vor Fluten und Dürren aus Südasien nach Europa. Die Schweiz stritt darüber, was zu tun sei: Die Energiewende beschleunigen? Mehr Flüchtende aufnehmen? In die Transformation der Landwirtschaft investieren? In die europäische Klimakrisenkoordination einsteigen oder doch lieber einen eigenen helvetischen Weg beschreiten? Während Jahren stritten Parteien, Verbände, Parlament und Bundesrat über die richtige Klimastrategie. Alle grossen Klimavorlagen in den Jahren 2018, 2023, 2029 und 2033 scheiterten am Volk – entweder weil sie als zu ambitioniert oder als zu wenig mutig empfunden wurden.

Solothurn hat den Weg geebnet

Nach der vierten verlorenen Klimaabstimmung war Parlament und Bundesrat klar: Eine demokratische Innovation muss her. Wenn es darum geht, Gesetzesvorlagen zu entwickeln, welche die Schweiz über Jahrzehnte prägen, muss das Volk schon in die parlamentarischen Debatten einbezogen werden und darf nicht erst bei der Volksabstimmung zu Wort kommen. Wie also das Volk besser einbeziehen in die Entscheidungsmechanismen unserer direkten Demokratie?
Glücklicherweise konnten wir auf eine Innovation aus Solothurn zurückgreifen. Ende der 2020er leistete der Kanton wichtige Pionierarbeit und prototypisierte die erste Version von VolontAI générale für Abstimmungen auf Kantons- und Gemeindeebene. Der Solothurner Prototyp war wegweisend, um die Funktionalitäten von VolontAI générale zu designen, laufend zu verbessern und breite Akzeptanz für unseren KI-Abgeordneten zu schaffen.
Vertreter:innen verschiedener Schweizer Parteien bekräftigen die wegweisende Rolle des Systems. Emma Meyer, Fraktionspräsidentin der Zukunftspartei, erklärt: «Der Solothurner Prototyp hat Befürchtungen über demokratische Verzerrungen zerstreut und den Wert von VolontAI générale für eine stärkere Bürgerbeteiligung aufgezeigt.» Johann Weber von der Schweizerischen Volks- und Freiheitspartei schliesst sich dieser Meinung an: «VolontAI générale hat lang gehegte Bedenken ausgeräumt und den Weg für eine massvolle Anwendung von KI in Abstimmungen geebnet.»
Der Schweizer Föderalismus hat sich als erfolgreiches Labor erwiesen. Nach den ersten erfolgreichen Tests in Solothurn zogen in der ersten Hälfte der 2030er sukzessive die Kantone Neuchâtel, Graubünden, Basel-Stadt, Waadt, Glarus und Zürich nach. 2035 gründeten die Kantonsregierungen die «Konferenz der Demokratie der Zukunft»und lancierten eine Standesinitiative zur Einführung von VolontAI générale auf Bundesebene. 2038 nahmen Volk und Stände mit 57% Ja-Stimmen und 14 zu 9 Standesstimmen die Vorlage an.
Den weiteren Verlauf der Geschichte kennen wir. Dank VolontAI générale konnten sich Parlament und Bundesrat auf den «New Swiss Green Deal» einigen, der 2041 vom Volk angenommen wurde.

Schärfer reguliert als der Finanzplatz

Als Teil der Standesinitiative hat der Bundesrat zudem die Swiss AI Governance Authority (SAGA) ins Leben gerufen, um  die Unparteilichkeit und Integrität von VolontAI zu gewährleisten. Die SAGA überwacht die Algorithmen von VolontAI und stellt die Einhaltung ethischer und rechtlicher Richtlinien sicher. Die SAGA setzt sich aus Experten für KI, Ethik und öffentliche Politik zusammen und untersteht der Kontrolle der staatspolitischen Kommission des National- und Ständerats.
Die OECD hat der Schweizer Regulierung gute Noten ausgestellt. Die SAGA sein ein Musterbeispiel für einen transparenten und verantwortungsvollen Umgang mit KI in der demokratischen Entscheidungsfindung heisst es im neuen OECD Bericht “Automatic Democracy? The potentials and perils of using AI in collective decision making.”Nach Jahren der Krisen um die Rolle des Finanzmarkts und der Neutralität freut sich der Bundesrat, dass die Schweiz mit VolontAI générale international wieder positiver vernommen wird: “Schön, können wir aufzeigen, dass sich unsere traditionsreiche Demokratie mit modernen Mitteln weiterentwickeln lässt”, sagt Zukunfstministerin Sandra Abegg auf Anfrage.
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